Jahrhundertflut und Welle der Dankbarkeit
Datum | Montag, 24. Juni 2013 |
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Ereignis | Gefahrenabwehr |
Einsatzstelle | Bundesrepublik Deutschland |
Bericht
Friedberg (chh). Ganze Landstriche lagen im Osten Deutschlands unter Wasser. Aus dem gesamten Bundesgebiet eilten Einsatzkräfte in die Region, um den Betroffenen zu helfen. Auch Mitglieder des Technischen Hilfswerk (THW) Friedberg kämpften gegen die Fluten. Die jungen Männer wurden Zeugen einer zerstörerischen Naturgewalt – und einer Welle der Dankbarkeit.
Wo sonst Rosen blühen und Kinder in Sandkästen spielen, schwappt jetzt braune Brühe. Das Wasser steht meterhoch in den Vorgärten, ganze Häuser wurden verschluckt. »Es ist erschreckend«, sagt Christoph Valentin. Der 30-Jährige ist Ortsbeauftragter des THW Friedberg, in den vergangenen Tagen kämpfte er gegen das Hochwasser im Osten Deutschlands. Valentin und sein THW-Kamerad Uwe Steib waren im sächsischen Riesa stationiert, zusammen mit anderen Einsatzkräften pumpten sie ganze Straßenzüge leer. »Zu unseren Aufgaben gehörte, andere Fahrzeuge und Pumpen mit Kraftstoff zu versorgen«, berichtet der 47-jährige Truppführer Logistik Steib. Die Friedberger hatten 900 Liter Diesel auf ihren Lkw geladen und fuhren unermüdlich von Einsatzstelle zu Einsatzstelle, um die Pumpen am Laufen zu halten. Bei ihrer Arbeit wurden sie immer wieder mit dem Leid der Flutopfer konfrontiert. Eine Begegnung hat sich in Valentins Erinnerung gebrannt. »Eine Frau saß apathisch vor ihrem zerstören Haus. Sie war überhaupt nicht ansprechbar.«
Ähnliche Erlebnisse hatten auch die anderen Friedberger Einsatzkräfte. »Die Anwohner waren supernett, haben uns häufig Essen und Trinken gebracht.« Über ihre Schicksalsschläge hätten die meisten Flutopfer nicht reden wollen. »Sie haben die Probleme in sich hinein gefressen«, erzählt André Hess, Gruppenführer Erste Bergung. Der 23-Jährige war in der Nähe von Dresden mit einem 175 KVA-Aggregat unterwegs, das bis zu 20 Tauchpumpen gleichzeitig betreiben kann. Er und seine Kameraden haben Autobahnzubringer und ein Wasserwerk leer gepumpt. Von morgens früh bis abends spät schufteten die Helfer. Einige bauten Feldbetten neben den Pumpen auf, schliefen am Einsatzort. Hess: »Die Maschinen liefen 24 Stunden.«
Auch Dennis Metzger und Gregor Wilhelm kämpften gegen das Wasser. Die beiden THW-ler – Metzger führt den Technischen Zug, Wilhelm die zweite Bergungsgruppe – sicherten rund um Magdeburg die durchnässten Deiche. Um brüchige Stellen zu schützen, legten die Männer sogenannte Quellkade an, U-förmige Walle, die den Deichen zusätzlichen Halt verleihen sollten. »Wir haben auch jede Menge patrouilliert und Sandsäcke gefüllt«, erzählt der 25-jährige Metzger.
Bollwerk abgedichtet
In dem Städtchen Jerichow waren die Einsatzkräfte an einer besonders abenteuerlichen Aktion beteiligt: Im nahe liegenden Dörfchen Fischbeck war ein Deich gebrochen, das Wasser strömte durch ein 90 Meter großes Loch. Die Bundeswehr versenkte drei Lastkähne, die auf dem Grund der Elbe das Wasser zurückhalten sollten. Doch die Schiffe alleine konnten die Lücke nicht schließen. Um das Bollwerk abzudichten, wurden mit Steinen gefüllte Säcke über dem Deich abgeworfen. »Wir haben sogenannte Bigbags gefüllt und an Hubschrauber gehängt«, erzählt der 22-jährige Wilhelm. Die Helikopter flogen zum Deich und warfen die Säcke ab. Noch nie zuvor hatte jemand solch einen Versuch unternommen. Doch die Aktion glückte: Das Loch wurde größtenteils gestopft.
Es sind aber nicht nur Rettungsaktionen wie diese, die den Friedbergern in Erinnerung bleiben. Vor allem die Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft der Anwohner beeindruckten die THW-ler. »Jerichow ist ein gutes Beispiel. Wir waren dort in der Sporthalle einer Schule untergebracht. Neben den Lehrerinnen haben sich die Anwohner um uns gekümmert«, erzählt Metzger. Zum Beispiel eine Frau, deren Haus durch das Hochwasser komplett zerstört worden war. »Sobald sie von ihrem Zuhause sprach, schossen ihr Tränen in die Augen. Trotzdem half sie uns, wo es nur ging. Für sie war das eine Ablenkung.« Die Dorfbewohner hätten zudem regelmäßig Lastwagen mit Nahrungsmitteln ins Quartier der Helfer gebracht. »Einmal erhielten wir eine Ladung mit 500 Dönern«, erinnert sich Metzger. Die Lieferung kam bei den erschöpften Einsatzkräften besonders gut an. Auch auf der Straße zeigten die Leute ihre Dankbarkeit. »Danke, Jungs«, hätten sie gesagt, in ihre Einkaufstüten gegriffen und den THW-lern Schokoladentafeln in die Hände gedrückt. »Überall in den Fenstern hingen Poster, auf denen sich die Leute bei uns bedankten«, fügt Wilhelm hinzu. Sein Kollege Steib war besonders von einem Plakat gerührt, das Kindergartenkinder gemalt und an einen Zaun gehängt hatten.
Doch die Flutopfer waren nicht nur dankbar: »Einmal haben sie uns geholfen, einen Lastwagen zu entladen. Zusammen ging das schneller als mit dem Gabelstapler«, erzählt Metzger. »Egal ob zierliches Mädchen oder rüstige Oma: Alle haben mit angepackt. Frei nach dem Motto ›Mein Dorf, mein Haus, mein Deich.»« Der 25-Jährige erinnert sich noch genau an die Worte einer älteren Dame: »Und wenn ich nur noch eine Flasche Wasser öffnen kann: Ich will helfen.«
Das Technische Hilfswerk freut sich immer über Freiwillige, die ebenfalls helfen wollen. Wer Informationen über die Arbeit der Organisation haben oder beitreten möchte, kann sich unter der E-Mail-Adresse ov-friedberg-he@thw.de melden.